Der urbane Trickster

Der urbane Trickster
3. August 2024 Maximilian Dazert

Der urbane Trickster

Der urbane Trickster

Hans Jürgen Scheuer: Der urbane Trickster. Eine vormoderne Figur zwischen elementarem Weltwissen und religiöser Intelligenz

Trickster treten an der Schwelle zwischen Welt und Transzendenz auf. Ihr Erscheinen unterläuft alle geltenden Unterscheidungen, selbst diejenige zwischen Leben und Tod. Trickster lassen sich daher nur im Übergang zwischen den Differenzen sehen, nie aber fixieren. Historisch und kulturell, sozial und politisch, religiös und epistemologisch entwickeln sie Physiognomien und Genealogien je nach den Wissensordnungen, denen sie entspringen: sei es der Mündlichkeit tribaler Gemeinschaften, sei es der Schriftlichkeit urbaner Gesellschaften.

Die Monographie folgt letzterer Spur. Dabei zeigt sich von Homer bis Wieland, von Odysseus und Sokrates, Diogenes und Menippos über Jesus und Ulenspiegel bis zu den Wüstenväter, den Utopiern und den Lalen: Die urbanitas der Tricksterfiguren, ihrer Redeweisen und Lebensformen, beruht auf der Parrhesie. An ihrer Ungebundenheit erprobt das menschliche Wissen seine Grenzen, entwickelt die religiöse Intelligenz ihre List. Wie die Münze ein Maß schwankender Werte, ist das frei gebrauchte Wort der eigentliche urbane Trickster.

Spielfiguren der Trickster-Parrhesie sind die kleinen Formen: Logos, Ainos, Chrie, Rätsel, Kasus, Legende und Schwank. Gesammelt, in Episoden exemplifiziert und für den weiteren Gebrauch präpariert werden sie in Form einer Vita, die den urbanen Trickster bald als “gottgleichen Menschen”, bald als Scharlatan präsentiert. Meist durchläuft er eine vierteilige Struktur, die seinen Eintritt in die Welt aus der Marginalität, sein Abtreten aus der Welt im sakralen Raum, dazwischen aber seinen Weg durch die kleine Ökonomie von Familie und Stadt sowie durch die große Ökonomie der politischen Weltordnung darstellt.

Auf seiner Lebensreise bildet jeder Trickster eine unverwechselbare persona aus, zusammengesetzt aus typischem sprachlichem und gestischem Handeln, oft zusammengedrängt in einem Spruch oder einer Devise. Die Genealogie der urbanen Trickster ersetzt den Kanon der einfachen Formen durch eine Enzyklopädie der Sprachmasken, die ihn bald als Meister, bald als Opfer, bald als Medium des Wahrsprechens zwischen den sprachlich nicht zugänglichen Sphären der Natur und der Transzendenz ausstellen. Das Buch zeigt, wie kleine Formen hinter den Trickster-Masken ein Reservoir des literarisch und epistemologisch Sagbaren bilden.

 

Erscheint am 12.08.2024

ISBN: 978-3-7574-0137-5

Link zum Buch: https://schwabe.ch/Hans-Juergen-Scheuer-Der-urbane-Trickster-978-3-7574-0137-5