Jasper Schagerl erhält Scherer-Preis 2024
Jasper Schagerl wurde für seine an der Humboldt-Universität zu Berlin vorgelegte Dissertation mit dem Scherer-Preis 2024 ausgezeichnet. Jasper Schagerl wurde für seine Arbeit Umstände erzählen. Die Prosa des Falls bei Harsdörffer, Thomasius und Gayot de Pitaval geehrt. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert; er wurde in diesem Jahr am 25. April 2024 zum achten Mal verliehen.
Die Dissertation des Preisträgers untersucht den Einfluss der Rechtskasuistik auf die Entstehung einer Poetik der Prosa zwischen 1650 und 1750. Ihre Grundthese lautet, dass das Erzählarchiv der Juristen wegweisend für die literarische Fallprosa war. Poetologische und juristische Erkenntnisinteressen konvergierten in der rhetorischen Frage danach, wie die Details eines Falls dargestellt und verkettet werden können, um Evidenz zu erzeugen. Die empirischen Wissenschaften der Frühen Neuzeit griffen diese Umstandstechnik auf und machten sie zur Grundlage eines Einzelfallwissens, das vormals wissenschaftsunfähigen Singularien und Akzidenzien eine hohe Aufmerksamkeit schenkte. Entlang dreier paradigmatischer Autoren – Georg Philipp Harsdörffer, Christian Thomasius und François Gayot de Pitaval – schreibt Jasper Schagerl eine Geschichte der Verfahren, die aus den rhetorischen circumstantiae ein Erkenntnisinstrument, eine Urteilsform und eine Technik prosaischer Formgebung machten. Die Untersuchung ergänzt damit Studien zu literarischen Fallgeschichten um eine Vorgeschichte, in der ,Fälle‘ noch nicht gleichbedeutend mit devianten oder kranken Individuen waren, sondern durch die spezifische Konstellation ihrer Umstände allererst zum Einzelfall wurden. Die Dissertation wurde betreut von Prof. Dr. Ethel Matala de Mazza und Prof. Dr. Joseph Vogl.
Jasper Schagerl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Neuere deutsche Literaturwissenschaft, 17.–19. Jahrhundert an der Universität Bremen. Davor war er Kollegiat am Graduiertenkolleg „Literatur- und Wissensgeschichte kleiner Formen“ an der Humboldt-Universität zu Berlin. Zu seinen Forschungsinteressen zählen die kleine Prosa der Frühen Neuzeit, das Verhältnis von Recht und Literatur, die Ästhetik und Politik des Common sense, die Unterhaltungsliteratur des Realismus und die Kulturgeschichte des Verwaltungsberichts.
Der Scherer-Preis wird alle zwei Jahre von der Richard M. Meyer Stiftung zusammen mit der Humboldt-Universität zu Berlin und der Freien Universität Berlin für Dissertationen oder Habilitationen auf dem Gebiet der älteren und neueren deutschen Literatur vergeben.
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